Kein Familiendrama: Berichterstattung über Femizide und der Umgang mit Überlebenden
17.06, 10:30–11:30 (Europe/Berlin), K3
Sprache: Deutsch

“Tödliches Eifersuchtsdrama in der heilen Vorstadt” (“Stern”, 2015); “Dortmund: Familientragödie! Vater bringt Ehefrau und drei Kinder um – dann tötet er sich selbst” (“Der Westen”, 2020); “Schlimme Bluttat in Laupheim” (“Südwestpresse, 2020).

Femizide – die Tötung einer Frau aus geschlechtsspezifischer Motivation – sind ein globales Problem. Im Durchschnitt werden jede Stunde mehr als fünf Frauen oder Mädchen weltweit von ihren Partnern oder anderen Familienmitgliedern getötet. In Deutschland tötet durchschnittlich alle drei Tage ein Mann seine (Ex-)Partnerin.

Das Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt ist immens – dennoch haben Journalist:innen oft Schwierigkeiten, den richtigen Zugang zu diesem Thema zu finden. Nach wie vor wählen Redaktionen Worte wie "Familientragödie" oder "Eifersuchtsdrama", statt von "Femiziden" zu schreiben – sie verharmlosen Gewalt gegen Frauen und machen aus Femiziden schicksalhafte Einzelfälle.

Wie kann die Berichterstattung zu Femiziden und geschlechtsspezifischer Gewalt in Deutschland besser werden? Was müssen Journalist:innen bei der Suche nach Daten beachten? Und wie finden sie den richtigen Umgang mit Betroffenen?

In diesem Vortrag diskutieren die freien Investigativjournalistinnen Margherita Bettoni, Karen Naundorf und Sonja Peteranderl das Phänomen und Herausforderungen bei der Berichterstattung zu Femiziden in Ländern wie Deutschland, Italien, Mexiko und Argentinien. Henriette W., Überlebende eines Femizid-Versuchs, berichtet von ihrer persönlichen Erfahrung im Umgang mit deutschen Medien – und diskutiert mit den Journalistinnen, wie eine angemessene Berichterstattung über Femizide aussehen könnte.

Sonja Peteranderl ist Journalistin und Gründerin von BuzzingCities Lab, einem Think Tank, der den Einfluss der Digitalisierung auf Sicherheit/Polizeiarbeit und Kriminalität analysiert. Als Algorithmic Accountability Reporting Fellow bei Algorithmwatch recherchiert sie derzeit zu Algorithmen im Polizei-/Sicherheitsbereich, den Auswirkungen von KI auf die Sichtbarkeit marginalisierter Communities und die Rolle automatisierter Systeme im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Gewalt. Zuvor hat sie als Redakteurin in der Auslandsredaktion von DER SPIEGEL, als Lateinamerika-Korrespondentin für DER SPIEGEL mit Sitz in Tijuana, Mexiko, als Tech-Redakteurin für DER SPIEGEL, als leitende Redakteurin beim Magazin WIRED Germany sowie als freie Auslandskorrespondentin und Reporterin für deutsche und internationale Medien gearbeitet und aus verschiedenen Ländern Lateinamerikas, aus den USA, oder China berichtet. Schwerpunkt ihrer Arbeit sind Kriminalität (organisierte Kriminalität, urbane Gewalt, Waffenhandel, Drogenhandel, digitale Schwarzmärkte, Öko-Kriminalität, geschlechtsspezifische Gewalt, Cyber-Kriminalität, digitale Gewalt), Sicherheit und Polizeiarbeit sowie Technologie (KI/Algorithmen, Predictive Policing, Überwachung, digitale Ungleichheiten).

Diese(r) Vortragende hält außerdem:

Margherita Bettoni ist Investigativjournalistin und Buchautorin mit Schwerpunkt organisierte Kriminalität und sexualisierte Gewalt. Sie ist Co-Autorin der Bücher "Die Mafia in Deutschland. Kronzeugin Maria G. pack aus", "Corona: Geschichte eines angekündigten Sterbens" und "Alle drei Tage. Warum Männer Frauen töten und was wir dagegen tun müssen". Für ihre Recherchen wurde sie mehrfach ausgezeichnet.

© Johannes Mitterer

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Ich bin Lehrerin, 36 Jahre alt, habe zwei Kinder und habe im April 2019 einen Femizid durch meinen Ex-Partner knapp überlebt.

Karen Naundorf ist Südamerika-Korrespondentin des Schweizer Fernsehens (SRF), Fellow des Pulitzer Center on Crisis Reporting im Programm AI Accountability und Mitglied von Weltreporter.net. Sie berichtet aus zehn Ländern (TV, Radio, Print).

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